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Rainer Arnold: „Die Gefahr einer Eskalation über Syrien hinaus besteht“

Veröffentlicht am 01.09.2012 in Bundespolitik

Rainer Arnold aus Nürtingen ist verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Vorwärts EXTRA sprach mit dem 62jährigen Bundestagsabgeordneten über die dramatische Lage in Syrien.

 
Täglich erreichen uns neue Schreckensmeldungen aus Syrien, die Situation eskaliert immer mehr und Kofi Annan ist als Sondergesandter längst zurückgetreten. Warum greift die UNO nicht endlich ein?
 
Die Frage ist, ob die Weltgemeinschaft mit der Verantwortung zum Schutz der Zivilbevölkerung (?responsibility to protect?) jetzt nicht sogar die Verpflichtung hat zu intervenieren wie 2011 in Libyen. Bislang scheitern alle Versuche am Widerstand Russlands und Chinas, die eigene strategische Interessen in Syrien verfolgen. Auf Dauer können aber auch diese beiden Länder dem Morden nicht weiter tatenlos zusehen. Zumal die Gefahr einer Eskalation des Konfliktes über Syrien hinaus besteht. Die Staatengemeinschaft kann kein Interesse an einer weiteren Eskalation im Nahen Osten haben.
 

 

Muss das Assad-Regime nicht auf militärischem Wege beendet werden?
 
Der Einsatz in Libyen war vor allem durch die NATO-Luftunterstützung möglich. Dabei wurde teilweise eng mit der Opposition zum Schutz der libyschen Bevölkerung zusammengearbeitet. Syrien ist viel kleiner, die Besiedelung konzentriert sich in den Städten. Unterstützung aus der Luft oder die Einrichtung einer Flugverbotszone wäre in diesem urbanen Gelände ohne große zivile Opfer  sehr schwierig. Um die Zivilbevölkerung zu schützen, müssten Bodentruppen ins Land. Die Schwelle zu einem Bürgerkrieg, in den auswärtige Truppen verwickelt sind, wäre bei diesem Szenario ganz schnell erreicht. Ein militärisches Eingreifen der Internationalen Gemeinschaft ist immer von einem operativen und politischen Konzept abhängig, das eine realistische Chance auf Erfolg bietet und Menschenleben schützt. Eine Militärinvention aber, die misslingt oder gar den Konflikt verschlimmert, ist nicht zu rechtfertigen. Das muss sorgfältig abgewogen werden.
 
Und was käme dann danach? Wie kann die Situation stabilisiert werden?
 
Das lässt sich zu diesem Zeitpunkt schlecht vorhersagen. Auch wenn sich das Regime auf Dauer nicht halten lässt, hat Präsident Assad immer noch einen gewissen Rückhalt in der Bevölkerung. Die oppositionellen Gruppen waren bislang zersplittert und ihre Ziele sind diffus. Dazwischen gibt es eine Vielzahl radikaler ethnischer, religiöser und nationaler Splittergruppen. Sie alle politisch zu einen wird schwer. Es gibt aber positive Signale der größeren Oppositionsgruppen, die sich miteinander auf gemeinsame Forderungen verständigen wollen. Hier müssen wir mit unserer Unterstützung ansetzen.
 
Sind Assads Chemiewaffenvorräte dabei auch eine Bedrohung für Europa?
 
Nach dem was wir wissen, verfügt Assad über große Vorräte von Senfgas, Sarin und möglicherweise sogar VX-Gas. Die größte Gefahr für uns sehe ich darin, dass diese Vorräte in falsche Hände kommen und so auch außerhalb Syriens gelangen. Die Staatengemeinschaft kann es nicht zulassen, dass Terroristen an B- und C-Waffen Waffen gelangen. Ein Land, das über hunderte Tonnen chemischer und biologischer Kampfstoffe verfügt wie Syrien, braucht eine stabile Führung, die verantwortungsvoll mit diesem Arsenal umgeht. Das muss unser Ziel sein.
 
 
Und wie kann Deutschland den Millionen von Flüchtlingen helfen? Was fordert die SPD? Was soll die Bundesregierung unternehmen?
 
Mehr als 2,5 Millionen Menschen sind bereits auf der Flucht, um ihr Leben zu retten. Die Flüchtlinge, die zum Teil Schreckliches erlebt haben, brauchen unsere Hilfe. Und nicht nur sie, auch die angrenzenden Länder wie Jordanien und die Türkei sind mit den Flüchtlingsströmen ans Ende ihrer Möglichkeiten gekommen. Allein in der Türkei halten sich derzeit rund 45.000 syrische Flüchtlinge auf. Es kann nicht sein, das die reichen Länder in Europa sich vornehm zurückhalten, während die unmittelbaren Anrainerstaaten mit hunderttausenden Flüchtlingen allein gelassen werden. Wir fordern deshalb die Bundesregierung auf, auch bei uns Menschen aufzunehmen – das ist das Mindeste, was wir tun können.
 

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